Beim Thermofenster handelt es sich um eine Abschalteinrichtung, bei welcher die Abgasreinigung nur bei bestimmten Außentemperaturen aktiviert ist. Die Abgasreinigung ist erforderlich, um Schadstoffe aus dem Abgas zu extrahieren und den schädlichen Einfluss auf Mensch und Natur zu verringern - und letztlich auch um die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einzuhalten. In Daimler Fahrzeugen bewirkt das Thermofenster beispielsweise, dass die Abgasreinigung bei unter 10°C Außentemperatur abgeschaltet wird (wobei in Deutschland durchschnittliche Werte von 8,5°C herrschen). In der Folge haben die Fahrzeuge viel mehr als die gesetzlich zulässige Menge an Schadstoffen ausgestoßen. Daimler hatte im Verfahren vor dem EuGH argumentiert, dass das Thermofenster für den Motorschutz notwendig ist.
Bereits im Juli 2022 hatte der EuGH in einem Verfahren gegen Volkswagen entschieden, dass es sich bei Thermofenstern um illegale Abschalteinrichtungen handelt (Az. C 134/20, C 145/20) Sie können das Urteil hier herunterladen). In einem anderen Verfahren gegen die Daimler AG ging es um die Frage, ob Fahrzeughersteller für die Verwendung von Thermofenstern auch dann gegenüber dem Verbraucher haften, wenn sie bei deren Einbau in das Fahrzeug bloß fahrlässig gehandelt haben (C 100/21; hier können Sie weitere Informationen zum Verfahren nachlesen). Diese Frage wurde dem EuGH vom LG Ravensburg vorgelegt (Az. 2 O 393/20; laden Sie den Vorlagenbeschluss hier herunter). Bislang scheiterten vor allem die Klagen im Daimler Dieselskandal daran, dass nicht bewiesen werden konnte, dass Daimler vorsätzlich gehandelt hat. In seinem Schlussplädoyer forderte der EU Generalanwalt Athanasios Rantos, dass Hersteller auch bei bloß fahrlässiger Verwendung von Thermofenstern schadensersatzpflichtig gegenüber dem Verbraucher sind (hier können Sie weitere Informationen zum Schlussplädoyer nachlesen).
Auch für den Wohnmobil Dieselskandal wird eine positive Entscheidung des EuGH weitreichende Folgen haben. Fiat Ducato Motoren enthalten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) unterschiedliche illegale Abschalteinrichtungen. Dazu gehört beispielsweise die Timer-Funktion, welche die Abgasreinigung nach 22 Minuten nach Motorstart abschaltet. In Fiat Ducato Wohnmobilen sind aber auch Thermofenster verbaut, wobei deren genaue Kalibrierung noch unbekannt ist. Folgt das Gericht der Auffassung des EU Generalanwalts - und dies ist in den meisten Fällen der Fall - würden die Chancen für eine erfolgreiche Klage im Fiat Ducato Abgasskandal signifikant steigen.
ts