Interne Dokumente des Automobilzulieferers Bosch bringen Fiat im Wohnmobil Abgasskandal in neue Bedrängnis. Die Dokumente, über welche zuerst der Bayerische Rundfunk berichtete und welche unserer Kanzlei vorliegen (zum Download), sind ein weiteres, wichtiges Beweisstück für die vorsätzliche und rechtswidrige Abgasmanipulation von Fiat in seinen Ducato Wohnmobilen - und werden auch vor Gericht in den immer zahlreicheren Schadensersatzklagen eine entscheidende Rolle spielen. Darüber hinaus deuten die Dokumente darauf hin, dass die Manipulationen viel flächendeckender sind als ursprünglich angenommen. Auch Fiat Ducato Wohnmobile, welche bislang außer Verdacht standen, sollen demnach vom Abgasskandal betroffen sein.
Der Name des Stuttgarter Automobilzulieferers Bosch ist seit Bekanntwerden der Abgasmanipulationen durch Volkswagen im Jahr 2015 eng mit dem Abgasskandal verknüpft. Schließlich gehört Bosch zu einem weltweit führenden Hersteller von Diesel-Technik und Technologie und hat zahlreiche Automobilhersteller bei der technischen Ausgestaltung der mutmaßlich manipulierten Motorsteuerungssoftwares unterstützt. Das Unternehmen bestreitet bislang alle aktive Teilnahme an den Abgasmanipulationen. Die Vorwürfe, welche das Gegenteil behaupten, halten sich allerdings hartnäckig. So hat auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Jahr 2019 gegen Bosch ein Bußgeld in Höhe von ca. 90 Millionen Euro verhängt. Ob weitere Ermittlungen gegen Bosch-Mitarbeiter geführt werden, ist nicht bekannt. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) belastet Bosch schwer. Um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, inwiefern man vom Abgasskandal betroffen ist, gab Bosch im Jahre 2015 eine interne Untersuchung in Auftrag, deren Ergebnisse nun an die Öffentlichkeit gelangt sind.
Die internen Dokumente listen die von Bosch mit den Automobilherstellern abgestimmten Software-Applikationen auf, mit welchen die Abgaswerte der Fahrzeuge illegal manipuliert werden sein sollen. Konkret ist die Rede von "Funktionen, die ein besonderes Potential für nicht behördenkonforme Applikation bieten". Insgesamt 44 solcher "sensibler Funktionen" hat Bosch laut diesen Dokumenten identifiziert. Neben Diesel-Aggregaten sollen auch Benziner betroffen sein. Unter den Verwendern dieser "Funktionen" sind neben allen prominenten Namen aus der deutschen Automobilindustrie - auch der bislang nicht im Fokus stehende Autobauer BMW gehört dazu - auch zahlreiche ausländische Hersteller genannt, darunter Toyota, Nissan, Honda, und eben Fiat.
Die von Fiat verwendeten Abschalteinrichtungen sind bereits seit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt bekannt. Fiat Ducato Motoren sind mit der sogenannten "Timer-Funktion" und mit dem "Thermofenster" ausgestattet. Auch der "NOx Speicherkatalysator" ist manipuliert. Die "Timer-Funktion" listen auch die internen Dokumente von Bosch auf. Bei Bosch trägt diese Funktion den Namen "EGR, NSC-control". Diese ist mutmaßlich dafür verantwortlich, dass unter anderem die Abgasrückführungsrate (AGR) - welche für einen sauberen Betrieb entscheidend ist - lediglich auf dem Prüfstand im Labor aktiviert ist. Auf der Straße ist diese Abgasrückführung die allermeiste Zeit deaktiviert und das Fahrzeug stößt folglich zu viele Stickoxide aus.
Darüber hinaus soll Fiat eine Funktion mit dem Namen "SCR dosing limitation" erhalten haben, deren Funktionalität die "SCR Dosierungsbegrenzung über Bauteilschutzgründe hinaus" war. Fiat Ducato Wohnmobile mit den Schadstoffnormen Euro 6-d und d-temp enthalten sogenannte SCR-Katalysatoren. Diese fügen der Abgasreinigung Harnstoff - besser bekannt unter dem Namen AdBlue - zu und sorgen so dafür, dass das Fahrzeug die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einhält. Bislang standen diese Wohnmobile im Fiat Ducato Abgasskandal außer Verdacht. Die nun vorliegenden Dokumente legen nun nahe, dass der Abgasskandal doch viel weitreichender ist als ursprünglich angenommen. Entsprechend könnten auch Eigentümer von Wohnmobilen mit Euro 6-d und d-temp Norm von Fiat Schadensersatz fordern, wenn sich die Vorwürfe weiter erhärten.
ts