***UPDATE: per Pressemitteilung hat der BGH am 4. März 2024 bekanntgegeben, dass der für den 7. März 2024 anberaumte Verhandlungstermin aufgehoben wurde. Es wird also am 7. März 2024 nicht verhandelt und nicht entschieden werden. In der Pressemitteilung hat der BGH auch mitgeteilt, dass die Parteien, also der Kläger und Tipico "übereinstimmend das Ruhen des Verfahrens wegen Vergleichsverhandlungen beantragt haben". Dieser Mitteilung kann man entnehmen, dass dem Kläger von Tipico ein Vergleichsangebot unterbreitet wurde.***
Das oberste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH), hat angekündigt, am 7. März 2024 in einer Sportwetten Geld zurück Klage zu verhandeln (Az. I ZR90/23). Diese Ankündigung hat es in sich: denn die Entscheidung des BGH wird maßgeblich über den Erfolg und die Zukunft von Sportwetten Rückforderungen entscheiden. Fällt das Urteil positiv aus, wird auf die Wettanbieter eine Klagewelle ungeahnten Ausmaßes zukommen. Die Wettanbieter wären dann höchstrichterlich dazu verpflichtet, tausenden Kunden ihre Verluste zu erstatten und bei illegalen Sportwetten verlorenes Geld zurück zu zahlen. Ob es aber tatsächlich zu dem BGH-Verfahren kommt und wann ein Urteil gesprochen wird, ist allerdings noch ungewiss. Ebenso ist unklar, ob und zu welchen Detailfragen sich der BGH äußern wird. Weitere Informationen zu den Hintergründen finden Sie hier.
Sportwetten Geld zurück Klagen sind bislang nur von den Amtsgerichten (AG), Landgerichten (LG) und Oberlandesgerichten (OLG) entschieden worden. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung, also eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), hat es dagegen bislang nicht gegeben. Dies könnte sich aber in Kürze ändern.
Über eine Pressemitteilung kündigte der BGH im Januar 2024 an, in der Rechtssache I ZR 90/23 am 7. März 2024 verhandeln zu wollen. Die Pressemitteilung ist wie üblich kurz gehalten und besagt: "Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Veranstalter von Sportwetten, der im Inland nicht über die hierfür erforderliche Konzession der zuständigen Behörde verfügte, die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers erstatten muss."
Kurz gesagt geht es also darum, ob Sportwetten Verluste zurückgefordert werden können. In den allermeisten Fällen haben die Gerichte bislang den Anspruch auf Rückzahlung bestätigt, weil kein Anbieter bis Oktober 2020 über eine offizielle deutsche Lizenz verfügte. Es gab aber auch negative Entscheidungen, weshalb Sportwetten Rückforderungen lange nicht ganz so vielversprechend wie reine Online Casino Rückforderungen waren. Das zeigen auch die Anfänge des Verfahrens, welches nun dem BGH zur Entscheidung vorliegt.
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger zunächst vor dem Amtsgericht Geislingen von Tipico die Rückzahlung von Sportwetten Verlusten in Höhe von 3.719€ verlangt. Das Amtsgericht Geislingen hat die Klage allerdings abgewiesen. Auch die Berufung am Landgericht Ulm war nicht erfolgreich. Das Landgericht Ulm hat allerdings die grundlegende Bedeutung der Sache erkannt und daher die Revision zugelassen – diese hat der Kläger dann beim BGH eingelegt.
Bei Sportwetten Rückforderungen haben Gerichte teilweise angenommen, dass die Wettanbieter die bereits seit 2012 grundsätzlich mögliche Lizenz eigentlich hätten bekommen müssen und aus diesem Grund die Klagen abgewiesen. Die Gerichte haben dabei argumentiert, dass den Anbietern nicht vorgeworfen werden könne, dass ihr Sportwetten-Angebot illegal war, da auch der Gesetzgeber grundsätzlich eine Erlaubnis für Sportwetten vorgesehen hat. Darunter waren das Amtsgericht Geislingen, das Landgericht Ulm und auch das OLG Frankfurt am Main, welches im Januar 2023 mit seiner negativen Entscheidung Sportwetten Rückforderungen einen empfindlichen Dämpfer verpasst hat.
Anders als Online Casinos, waren Online Sportwetten nämlich nicht grundsätzlich verboten. Wettanbieter konnten sich seit 2012 um eine deutsche Lizenz bewerben und haben dies teilweise auch getan. Allerdings hat keiner dieser Anbieter eine solche Lizenz vor Oktober 2020 erhalten. Nach Auffassung der genannten Gerichte haben die Anbieter aber alle grundsätzlichen Voraussetzungen für die Lizenzierung erfüllt und deren Nichterteilung sei nur auf ein europarechtswidriges Verhalten der Behörden zurückzuführen.
Die Wettanbieter führen zudem noch an, dass ihr Angebot aufgrund von maltesischen oder gibraltarischen Lizenzen auch in Deutschland legal gewesen sei. Dabei berufen sich die Anbieter insbesondere auf die EU-Dienstleistungsfreiheit.
Die deutliche Mehrzahl der mit der Sache befassten Gerichte sieht die Sache allerdings anders. Neben zahlreichen Landgerichten haben sich auch die Oberlandesgerichte in Bamberg, Dresden, Karlsruhe, Oldenburg, Köln und München positiv zu Sportwetten Rückforderungen positioniert. Diese Urteile stehen auf unserer Seite teilweise zum Download zur Verfügung.
Zum Standpunkt, wonach das Sportwetten Angebot eigentlich hätte lizenziert werden müssen und daher kein Anspruch auf Rückzahlung besteht, äußerte sich vor allem das OLG Bamberg sehr deutlich und unmissverständlich: nach Auffassung des Gerichts ist es für den Rückzahlungsanspruch nämlich völlig unerheblich, ob die Lizenz eigentlich hätte erteilt werden müssen. Verbot ist Verbot. Selbst wenn die Behörden eigentlich eine Pflicht zur Erteilung der Lizenz hatten bedeutet dies nicht, dass ein Verbot weiter fortbesteht und "bewusst und gewollt negiert" werden darf. Auch Autofahren ist illegal, wenn man zwar alle Voraussetzungen erfüllt, die Fahrerlaubnis aber noch nicht erteilt wurde.
Die Auffassung der Wettanbieter, wonach das deutsche Recht nicht im Einklang mit europäischem Recht ist, haben die Gerichte bislang ausnahmslos abgewiesen.
Niemand kann seriös vorhersagen wie der BGH in der Sache I ZR 90/23 entscheiden wird. Nach Auffassung unserer Kanzlei gibt es aber vor allem schwerwiegende Gründe und Hinweise für einen positiven Ausgang. Folgende Punkte sind hier anzuführen:
Rechtslage: die bisherige Rechtslage lässt eigentlich keine andere Schlussfolgerung zu. Es steht ja außer Frage, dass die Sportwetten Anbieter für ihr Angebot eine gültige deutsche Lizenz gebraucht hätten und dass diese bis Oktober2020 eben nicht vorlag. Gerichte entscheiden auf der Grundlage des tatsächlichen Sachverhalts und nicht auf Grundlage von dem, was hätte sein können.
Bisherige BGH Entscheidungen: zwei andere Entscheidungen des BGH deutendarauf hin, dass die Entscheidung positiv ausfallen dürfte. Erstens hat der BGH bei einer Online Casino Rückforderung entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Daraus lässt sich ableiten, dass der BGH bei einem Verstoß gegen den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung sieht, weil die Anbieter gegen ein Verbotsgesetz bzw. Schutzgesetz verstoßen haben. Denn wenn der Anspruch aus Sicht des BGH bereits nach dem deutschen Recht nicht bestünde, hätte er die Klage abgewiesen, ohne auf eine Einschätzung des EuGH zu warten.
Zweitens hat der BGH bereits in mehreren Verfahren entschieden, dass kommerzielle Anbieter eine verwaltungsrechtliche Erlaubnis für ihr Angebot tatsächlich benötigen, wenn diese vom Gesetz vorgeschrieben ist. Es reicht gerade nicht aus, dass eine Erlaubnis grundsätzlich möglich ist oder sogar erteilt werden muss. Wenn ein Anbieter eine Lizenz daher (noch) nicht erhalten hat, darf er nach Ansicht des BGH auch nicht vor Erteilung der Erlaubnis die entsprechende Dienstleistung anbieten. Ein Recht zur „Selbsthilfe“, die Tipico und andere Anbieter für sich beanspruchen, besteht somit nach der BGH-Rechtsprechung nicht.
Zweitens hat der BGH in einem Strafverfahren schon entschieden, dass es für eine Strafbarkeit wegen illegalem Glücksspiel nicht darauf ankommt, ob das Glücksspiel grundsätzlich genehmigungsfähig war. Die Karlsruher Richter haben also schon entschieden, dass ein Angebot ohne Lizenz einen Verstoß gegen die deutschen Glücksspiel-Gesetze darstellt. Es wäre also nicht konsequent und käme sehr überraschend, wenn der BGH das bei dem vorliegenden Fall anders beurteilen würde.
Es wäre auch ein herber Schlag für die bereits genannten Oberlandesgerichte, wenn der BGH die Grundsatzfragen zu Sportwetten-Rückforderungen anders beurteilt, als die obersten Zivilgerichte der Bundesländer. Bislang hat der BGH sich auch in keinem anderen Massenklagen-Komplex gegen die einhellige Rechtsprechung der Obergerichte gestellt.
Die BGH Entscheidung wird maßgeblich darüber entscheiden, ob und wie Sportwetten Rückforderungen künftig erfolgreich sein werden. Gibt der BGH grünes Licht, dürfte dies eine Klagewelle ungeahnten Ausmaßes zur Folge haben. Millionen Kunden der Wettanbieter könnten ihr verlorenes Geld zurückfordern und die Gerichte untergeordneter Instanzen hätten im Prinzip keine Wahl mehr und müssten jede Klage zugunsten des Klägers entscheiden.
Fällt die Entscheidung allerdings negativ aus, dürfte dies das Ende für Sportwetten Geld zurück Klagen bedeuten.
Es ist durchaus denkbar, dass der BGH keine eindeutige Entscheidung trifft und einige Detailfragen unbeantwortet bleiben. So ist beispielsweise noch nicht absehbar, ob und wie sich der BGH zum Thema Verjährung äußern wird. Und diese ist für die Sportwetten Rückforderungen entscheidend: bislang gehen die allermeisten Gerichte von einer 10-jährigen Verjährungsfrist aus, wobei sich viele hierzu aber gar nicht explizit geäußert haben. Sollte der BGH eine dreijährige Verjährung annehmen, käme dies ebenfalls dem Ende der Sportwetten Rückforderungen gleich - schließlich sind die allermeisten Anbieter schon seit Oktober 2020 lizenziert. Äußert sich der BGH hierzu nicht, liegt es weiter an den Landgerichten und Oberlandesgerichten, hier für Klarheit zu sorgen.
Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der BGH den Fall nicht selbst entscheidet und an das LG Ulm zurückverweist. Ebenso ist denkbar, dass die Revision zurückgenommen wird, es also gar nicht zu einer Entscheidung kommt. Wir halten Sie jedenfalls über alle Entwicklungen und die Entscheidung auf dem Laufenden.
ts